
Erkennt ihr sie wieder? Zurück mit neuen Insights zum Thema Karriere.
Das Berufsleben ist bekanntlich lang, und so einiges kann sich mit der Zeit ändern. Hast du dich schonmal gefragt, wo unsere Interviewpartner von früher heute sind? Wir auch!
Und deswegen haben wir für unser zehnjähriges Jubiläum ein paar alte Gesichter wieder getroffen.
Heute gibt es ein Wiedersehen mit Dr. Simone Cardoso de Oliveira. Simone, die aus der Neurobiologie kommt, hat uns damals spannende Einblicke in ihren Beruf als Fördermittel- und Karriereberaterin gegeben. Wer das Interview noch nicht kennt, sollte das jetzt hier nachholen.
Schon damals hat sie einiges an Berufserfahrung mitgebracht. Wir haben sie gefragt, wie sich seitdem ihre Tätigkeit und ihr Blick auf das Thema Karriere geändert hat. Viel Spaß mit dem Interview!
Hallo Simone, das letzte Mal haben wir uns vor 8 Jahren gesehen! Wie geht es dir?
Hallo Oswin, mir geht es sehr gut!
Bist du immer noch selbständig als Fördermittel- und Karriereberaterin tätig?
Ja, ich bin immer noch selbstständig, wobei ich meine Job Description mittlerweile angepasst habe. Ich nenne mich jetzt Innovation, Research und Career Facilitator. Ich will damit hervorheben, dass ich eher als eine Art Katalysator tätig bin und nicht so sehr als klassische, etwas verstaubte Beraterin. Es geht mir in meiner Arbeit nicht darum, den Kund:innen zu sagen, was sie machen sollen – was eine Beraterin eher tun würde – sondern gemeinsam mit ihnen zu erarbeiten, was am Besten ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Ich wirke also eher wie eine Art Katalysator. Das ist besonders im Karrierebereich essenziell. Im Fördermittelbereich kommt dann noch dazu, dass wir gemeinsam herausfinden, wie man die Themen der Kund:innen am Besten kommuniziert, so dass die Person am anderen Ende, meistens Gutachter:innen, Investor:innen oder die allgemeine Öffentlichkeit, sie richtig versteht.
Zusätzlich begleite ich jetzt meine Startup-Kund:innen auch in etwas längerfristigen strategischen Fragen, die über die Fördermittelberatung hinausgehen. Schließlich begleite ich die Firmen meist über viele Jahre, da entwickelt sich schon eine Partnerschaft, in der man auch inhaltlich mehr in den Firmen drinsteckt und Anregungen geben kann.
Wie haben sich deine eigenen Karriereziele seit damals geändert?
Meine Ziele haben sich insofern geändert, als dass ich im ersten Interview noch in einer Aufbauphase steckte. Da habe ich noch viel exploriert, habe viel in Marketing und Netzwerken investiert, um mich zu etablieren und sichtbar zu machen. Mittlerweile bin ich eher in einer Konsolidierungsphase, in der ich mich auch schon ein wenig um die spätere Zukunft und das Alter kümmern kann. Ich bin ja mittlerweile auch schon 60. Ich möchte schon noch lange weiterarbeiten, aber in reduziertem Umfang. Zu meinen Zielen gehört es jetzt, zu schauen, wie ich mein Business so gestalte, dass ich mit guter Lebensqualität noch möglichst viele Jahre arbeiten kann, aber mir auch genügend Zeit nehme, um das Leben zu genießen, solange ich es kann.
Das heißt, du versuchst dein Business effizienter zu gestalten?
Genau, damit habe ich auch schon begonnen. Und ich möchte in Zukunft immer mehr mein persönliches Leben dem Beruf nicht unterordnen, sondern meinen Interessen und Aktivitäten nachgehen, während der Beruf daneben mitläuft, ohne mich zu stark einzuschränken.
Das ist jetzt vielleicht ein bisschen schwierig nachzuvollziehen für Leute, die sich am Anfang ihrer Karriere befinden. Am Anfang des Berufslebens ist man ja bemüht, Türen aufzumachen und muss sehr viel investieren. Aber man sollte sich selber nicht aus dem Auge verlieren. Sonst schaut man sich nach Jahrzehnten um und ist am Ende seines Berufslebens, hat aber vielleicht mit der Gesundheit nicht gut gehaushaltet. Dann geht man schlimmstenfalls in Rente und kann die Zeit nicht mehr genießen, weil man gesundheitlich angeschlagen ist.
Dein Schwerpunkt lag damals bei den Neurowissenschaften und der Neurotechnologie, ist der dort immer noch?
Wissenschaftlich gesehen fühle ich mich immer noch in den Neurowissenschaften zuhause, da bin ich ausgebildet und dort habe ich meine längste Forschungs-Erfahrung. Aus dem Bereich der Life Sciences kommen auch die meisten meiner Karriereberatungs-Kund:innen. Meine Firmen- und Innovations-Kund:innen kommen in der Regel aus der Medizintechnik, wo ich auch selber meine Business-Erfahrung habe. Das war zu Beginn meiner selbstständigen Tätigkeit aber auch schon so.
Damals hat die Fördermittelberatung den Löwenanteil deiner Arbeit ausgemacht. Ist das heute immer noch so, oder hat sich das verschoben?
Ja, dieser Bereich ist sogar tatsächlich noch mehr geworden. Das macht gerade über 90% meiner Arbeit aus. Das kann sich natürlich in Zukunft nochmals ändern, der Anteil schwankt auch von Jahr zu Jahr.
Haben sich dein Berufsfeld und die Rahmenbedingungen allgemein geändert seit damals?
Eine große Sache sind natürlich die Folgen der Corona-Pandemie, die Online-Arbeit. Das hat Vieles schon extrem geändert. Vor der Pandemie habe ich die Karriereberatung immer face-to-face gemacht, also persönliche Kurse und Coachings vor Ort. Mittlerweile mache ich das alles nur noch digital.
Auch in der Fördermittelberatung ist es mittlerweile die Regel, dass ich mich mit meinen Kund:innen nur noch in Online-Meetings treffe. Die erwarten das auch so. Ich treffe mich nur persönlich, wenn es andere Gründe gibt. Wenn ich z.B. eh in der Gegend bin oder wenn es ein Präsenz-Event gibt. Persönliche Treffen sind also nicht mehr die Norm.
Ein anderer Aspekt, der immer wichtiger wird und sich in Zukunft noch weiter auswirken könnte ist natürlich das Thema KI. Vor allem beim Produzieren von Texten, beim Brainstormen, beim Recherchieren wird das immer wichtiger. Und da wird die zukünftige Herausforderung sein, den Mehrwert einer Person gegenüber dem KI-Tool der Wahl herauszuarbeiten und sichtbar zu machen.
Arbeitest du denn selber schon mit KI in deinem Berufsalltag?
Ja, ein bisschen. Ich denke, dass ich das auch noch mehr verwenden werde. Für mich ist es derzeit ein Tool zum Recherchieren, Strukturieren und Ideen sammeln. Aber man muss sehr gut aufpassen, dass das, was man rausbekommt, auch tatsächlich belastbar ist und keine Halluzinationen enthält. Für relativ oberflächliche Dinge kann KI sehr nützlich sein, aber sobald es in die Tiefe geht, wird es schwierig. Da muss man sehr aufpassen. Das Problem ist gerade auch in schnelllebigen Feldern wie der Wissenschaft, dass es einen signifikanten Zeitverzug zwischen der aktuellen Forschung und ihrer Berücksichtigung in den KI-Modellen gibt. Der wird wahrscheinlich auch immer bleiben, weil ja eine gewisse Zeit vergeht, bis neue Infos von der KI gelernt worden sind.
Hast du ein Beispiel für uns, wie du die KI nutzt?
Für Übersetzungen verwende ich KI schon routinemässig, da sind die Tools ja schon wirklich gut.
Large Language Models verwende ich momentan noch eher sporadisch. Wenn ich eine allgemeinverständliche Beschreibung von einer Technologie haben will, so Fragen wie: Wofür wird die Technologie benutzt, welche Anwendungsfelder gibt es. Da liefert mir die KI Antworten, die ich auch finden würde, wenn ich im Internet recherchiere, aber in kondensierter Form. Ich nutze KI auch manchmal, um mich selber nochmal zu prüfen, ob ich an alles gedacht habe bei Anträgen, z.B. was die Risiken der Technologie sind, dass ich da nichts Offensichtliches vergesse. In Feldern, wo ich mich nicht so gut auskenne, nutze ich solche Tools auch, um mein Wissen abzurunden. Manchmal benutzen meine Kunden in ihren Materialien auch Jargons und Abkürzungen, die mir noch nicht geläufig sind. Dann hilft mir KI, das einzuordnen und anders zu formulieren.
Womit ich auch etwas experimentiert habe ist die Nutzung von KI für die Erstellung von Lehrinhalten. Man kann sich zum Beispiel Übungen zu bestimmten Inhalten von der KI erstellen lassen. Das benutze ich momentan bisher zwar noch nicht, könnte ich mir aber als Hilfsmittel für Kurse vorstellen. Ich habe auch schon mal typische Karriere-Klienten-Fragen an eine KI gestellt und die Antworten zusammen mit den Teilnehmenden im Kurs besprochen, zum Beispiel Fragen wie: Was sind mögliche Berufsfelder für Biologen? Wie viel verdient man als Biologe in verschiedenen Berufsfelder? Die Antworten waren gar nicht so schlecht.
Wie hat sich dein Arbeitsalltag denn ansonsten noch geändert? Wie sieht es mittlerweile gehaltstechnisch bei dir aus?
Dadurch, dass, wie erwähnt, fast alles digital stattfindet, bin ich kaum mehr auf Reisen. Das hat ja früher knapp 1/3 meiner Zeit ausgemacht. So spare ich viel Zeit und Kosten.
Meine Arbeitszeit hat sich tatsächlich ganz allgemein reduziert. Mittlerweile bewegt sie sich eher auf dem Level eines Teilzeitjobs. Die Wochenstunden schwanken natürlich je nach Projektlage, und ich arbeite auch noch schon mal bis in den späten Abend oder am Wochenende, wenn etwas drängt. Aber ich versuche, meine Arbeit effizienter zu gestalten, nach dem Motto: „Work smart, not hard.“ Ich streiche ganz rigoros Tätigkeiten, bei denen das Verhältnis zwischen Effort und Impact nicht stimmt, und konzentriere mich systematisch auf Dinge, bei denen etwas Signifikantes herauskommt. Kennst du „The 4-hour work week“ von Tim Ferris*? In die Richtung versuche ich mich weiter zu bewegen.
Meine Umsatzentwicklung ist ungefähr so gelaufen, wie ich es mir gewünscht habe, nur etwas langsamer als es in meinem Businessplan geplant war. Ich denke, damit bin ich nicht alleine, das ist wohl eher ein typisches Phänomen bei Selbstständigen und Unternehmen.
*Das Buch „The 4-hour work week“ beschäftigt sich damit, wie man durch Automatisierung und andere Methoden seine Arbeitszeit reduzieren kann um ein freieres Leben zu führen.
Wie konntest du denn dein Gehalt steigern?
Das liegt an einer Kombination verschiedener Aspekte.
Zum einen baue ich bei der Akquise von Neukund:innen und Projekten auf Partnerschaften und Empfehlungen, das funktioniert sehr gut und spart mir viel Zeit. Es hat sich über die Zeit auch ein Kundenstamm etabliert, den ich teilweise über viele Jahre betreue. Außerdem bin ich wahrscheinlich auch insgesamt effizienter als früher. Du kennst irgendwann einfach gewisse Prozesse auswendig, so dass Du weniger Zeit zum Recherchieren aufwenden musst.
Am Entscheidendsten ist aber wohl, dass ich mein Entgeltmodell geändert habe. Wann immer möglich, berechne ich mein Honorar nicht mehr nach Stunden, sondern habe eine größere erfolgsabhängige Komponente, die an das Erreichen von Zielen gebunden ist, typischerweise die Bewilligung einer Förderung. Das heißt, ich werde am Erfolg meiner Arbeit beteiligt. Das ist nicht nur super für mich, sondern auch für den Kund:innen. Denn am Ende des Tages ist es für sie natürlich egal, wie viele Stunden ich arbeite, sondern, welchen Wert ich auf ihrem Firmenkonto generiere. Damit konnte ich mich wegbewegen von dem vielbesagten „Zeit gegen Geld“-Modell der Entlohnung, bei dem der Umsatz immer durch die eigene Arbeitszeit limitiert ist.
Was hast du seit dem letzten Mal dazu gelernt? Hast du einen großen „Fail“ und ein großes Learning für uns?
Ja, im Laufe meiner Tätigkeit habe ich manchmal auf die harte Tour erfahren, was alles schief gehen kann – und zwar nicht nur in meiner eigenen Arbeit. Die meisten meiner Kund:innen sind ja Startups. Da kann sich in relativ wenig Zeit sehr viel ändern– von einer Veränderung der Unternehmensziele bis hin zur finanziellen Situation, was im schlimmsten Fall zum Ausschluss der Förderfähigkeit oder zur Insolvenz führen kann. Diese Risiken habe ich gelernt, bei der Vertrags- und Honorargestaltung zumindest zu berücksichtigen. Aber komplett ausschließen kann ich sie auch nicht. Für dieses Restrisiko muss ich auch auf meiner Seite vorsorgen.
Ein weiteres großes Learning ist, wie schon angedeutet, dass ich nicht nur auf die Zufriedenheit der Kund:innen, sondern auch angemessen auf mein eigenes Wohlergehen achten muss. Die eigene Gesundheit und Weiterentwicklung, die Familie und auch das soziale Umfeld sollten nicht dauerhaft die zweite Geige im Leben spielen. Es hat noch niemand am Ende seines Lebens bereut, zu wenig gearbeitet zu haben…
Da du Karriereberaterin bist, müssen wir natürlich fragen: Hast du einen Ratschlag oder einen Tipp speziell für uns Biolog:innen, an den die meisten vielleicht nicht direkt denken, der aber viel ausmachen kann?
Schaut über den Tellerrand! Macht Dinge drumherum, zusätzlich zu Studium oder Job. Ob Ehrenamt, Nebenjob, intensivere Hobbies wie Sport, Sprachen oder Reisen. Die gesammelten Erfahrungen werden euch auch auf die eine oder andere Art und Weise später in eurer Karriere zugutekommen. Auch wenn das am Anfang nicht immer vorhersehbar ist. Wenn euch ein Feld interessiert, dann beschäftigt euch damit! Auch wenn es nichts mit eurem Studium zu tun hat. Schaut, wie ihr euch in das Feld einbringen könnt, trefft Leute aus dem Bereich. Macht kleinere Projekte in eurer Freizeit. Das bedeutet auch, dass ihr erstmal selbst investieren müsst und ggf. erstmal „umsonst“ arbeitet. Aber so könnt ihr euch ausprobieren und bekommt Kontakte. Diese Erfahrungen steigern eure Chancen ungemein, wenn ihr euch später einmal in diesem Bereich beruflich entwickeln wollt. Im Laufe meines Berufslebens ist es mir schon oft „passiert“, dass ich mir so unverhofft den nächsten Job selbst mit geschaffen habe.
Gibt es etwas, was ich vergessen habe zu fragen, du aber gerne noch erzählen willst?
Macht euch Karriere-Entscheidungen nicht zu schwer. Ihr werdet im Laufe eures Lebens viele Tätigkeiten haben, da kommt es auf jede einzelne Stelle nicht so unglaublich an. Ihr werdet in jedem Fall etwas lernen, auch wenn der Job euch überhaupt nicht gefällt. Und eure Lebenssituation verändert sich, ihr verändert euch, und damit auch die Stelle, die gerade richtig für euch ist.
Und schlussendlich: Lasst nicht alles mit euch machen im Beruf. Akzeptiert kein Fehlverhalten und pocht auf die Einhaltung eurer Grenzen. Lasst euch auch nicht erzählen, dass bestimmte Dinge nicht gehen – macht sie einfach! Lasst euch nicht entmutigen. Bleibt neugierig und probiert euch aus, dann werdet ihr ein großartiges Leben haben.
Vielen Dank für das Interview!
Das war unser Wiedersehen mit Dr. Simone Cardoso de Oliveira. Du willst wissen, wo weitere Gesichter aus unseren Interviews heute stehen?
Dann lies doch direkt weiter bei unserem Wiedersehen von letzter Woche mit Lars Dittrich von Mai Think X.
Und schau auch nächste Woche wieder vorbei, wenn wir Peter Kohl, Public Relations Officer, wiedertreffen.