Ein Wiedersehen mit der Journalistin Maria Rossbauer

Bei Biologie stellen sich wahrscheinlich die meisten begeisterte Biolog:innen vor, die mit Kescher und Gummistiefeln bewaffnet durch Felder streunen oder hoch konzentriert mit Pipette und Petrischale von früh bis spät im Labor hantieren. Dabei ist das Feld der Biologie weitaus größer als viele zuerst einmal annehmen würden. Ein Beispiel sind Wissenschaftsjournalist:innen, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit eine wichtige Aufgabe erfüllen. Maria Rossbauer ist eine davon und hat uns vor 9 Jahren bereits spannende Einblicke in den Beruf als Journalistin gegeben. Ich durfte sie anlässlich unseres zehnjährigen Jubiläums an einem sonnigen Freitagnachmittag erneut treffen, um in Erfahrung zu bringen, was sich seit dem letzten Interview bei ihr getan hat. Maria, die mit ihren blonden Locken und der fröhlichen und lockeren Art direkt sympathisch wirkt, schießt auch direkt los:

Vom Erklär-Bär zur Wissenschaftspolitik

Sie ist ursprünglich Diplombiologin und wurde nach dem Studium an der Deutschen Journalistenschule in München angenommen, wonach Praktika bei der taz, Geo und der ZEIT folgten. Anschließend hat sie als freie Autorin gearbeitet und kam dann über eine Kollegin bei der ZEIT zum Kinderjournalismus bei der Deutschen Presseagentur (dpa). Neben dem Job als Redakteurin dort hat sie weiter frei gearbeitet und eigene Bücher geschrieben.

Beruflich hat sich seither vieles bei ihr verändert: Vom Freiarbeiten und viel selbst schreiben, immer mehr hin zum Aufträge vergeben und Texte redigieren. Maria hat also einen richtigen Seitenwechsel hingelegt und ist seit 2017 bei der ZEIT fest angestellt und leitet dort seit fast vier Jahren das Hamburg-Ressort. Dabei liegt der Fokus mittlerweile weniger auf der Wissenschaft, da es sich um ein Multi-Ressort handelt, das auf lokaler Ebene alles macht: Vom Podcast über Online- und Print-Auftritte bis hin zum täglichen Newsletter werden Themen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, aber auch Kultur abgehandelt, wobei Maria selbst immer noch besonders die Medizin-Wissenschafts-Geschichten im Blick hat. Sie erklärt ihre berufliche Veränderung so: „Es hat sich ein bisschen vom Erklär-Bär-Journalismus in Richtung Wissenschaftspolitik gedreht.“

Diese Veränderung ist für Maria eine unbewusste Entscheidung gewesen, denn schon zu Beginn ihrer Karriere hat sie sich entscheiden müssen, ob Sie wissenschaftsnahen Journalismus macht und in Heften wie Nature von Ergebnissen aus der Spitzenforschung berichtet oder eher der Erklär-Bär für die Allgemeinbevölkerung ist. Dabei sagt Maria von sich selbst, dass sie schon immer eher diejenige war, die es so erklärt, dass es auch Kinder verstehen und von da an war der Schritt zum allgemeinen Journalismus nicht mehr so weit. Neben der Wissenschaft hat sie nämlich auch andere Themen, die ihre Neugier entfachen: zum Beispiel die Restauranteröffnung einer Freundin oder die Musik. Somit hat sich ihr Fokus von der Wissenschaft auch immer mehr auf andere Bereiche ausgeweitet.

Wissenschaftsjournalismus vs. Journalismus

Den größten Unterschied zwischen ihrer früheren Arbeit als Wissenschaftsautorin und ihrer jetzigen Arbeit sieht Maria darin, dass sie früher als Reporterin selbst losgezogen ist und Geschichten gemacht hat und nun mehr in der Redaktion zu Hause ist, Mitarbeitende losschickt und deren Texte redigiert. Beim Wissenschaftsjournalismus bei der dpa hat ihr besonders gefallen, dass sie selbst entscheiden konnte, welche Themen sie macht und welche Fragen sie stellt. In dieser Zeit hat sie besonders viel mitgenommen, da sie anders als im Studium immer sagen konnte: „Jetzt bitte noch mal für den Achtjährigen. Ich habe es immer noch nicht verstanden.“ Auch Begegnung mit wissenschaftlichen Berühmtheiten wie dem Physiker Peter Higgs, dessen Forschung mit einer Publikation auf wenigen Seiten begann und mit dem Nobelpreis endete, waren ein besonderes Highlight für Maria.

Bei ihrem jetzigen Job als Leiterin des Hamburg-Ressorts dagegen findet sie besonders schön, dass es so viele unterschiedliche Aspekte gibt – ob einen Bericht über Fußball oder ein Treffen mit Smudo. Und da sie nun in einer Führungsposition ist, kann sie nun auch selbst bestimmen welche Themen besetzt werden: Ein Beispiel ist der Drogenschmuggel in Hamburg, bei dem sie das Gefühl hatte, das es wichtig ist, aber gerade untergeht. Deshalb hat sie dazu einige Artikel gemacht und in Auftrag gegeben, etwa ein Interview mit dem Bürgermeister über die Hafenstrategie und eine Reportage über Schulungen der Hafenarbeiter zu den Methoden der Drogenmafia, um das Thema groß zu machen. Ob nun die Arbeit als Autorin oder als Redakteurin besser ist, kann Maria abschließend gar nicht sagen, da es für sie eine typische Lebensfragenphase ist, bei der sich Interessen eben auch mal ändern können.

Ein Tag mit Maria – der Arbeitsalltag als Journalistin

Wie kann man sich Marias typischen Arbeitsalltag nun vorstellen: Ihr Tag startet um viertel nach neun. Dann heißt es erstmal: reden, reden und noch mehr reden. Konferenzen, die Blattplanung, da die 18 Seiten natürlich auch mit Inhalt gefüllt werden möchten, und das Absprechen mit den Autorinnen und Autoren: „Okay, hat nicht geklappt. Okay, wie machen wir es dann?“ Maria bespricht Abgabezeiten, Textstrukturen und Honorare, sie plant, überlegt und brainstormed mit ihren Mitarbeitenden immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Den Rest der Woche gibt es ein paar fixe Termine mit Konferenzen und ansonsten verbringt Maria die meiste Zeit damit, ankommende Texte zu redigieren, zu produzieren, auf die Homepage zu bringen oder in die Printausgabe, sowie den Podcast und Live-Veranstaltungen zu moderieren. Viele unterschiedliche Dinge laufen parallel kreuz und quer und dadurch hat sie im Vergleich zu ihrer früheren Arbeit einen weniger strukturierten Tagesablauf.

Das mit dem Feierabend ist im Journalismus auch keine fixe Sache, da es auch stark von dem abhängig ist, was gerade passiert: „Wenn jetzt um 17 Uhr 30 in Hamburg das Rathaus explodiert, dann ist bei uns keiner im Feierabend, das ist schon einfach so, das gehört dazu. Und da ist dann auch sehr schnell das komplette Ressort im Einsatz.“

Die Wissenschaftsjournalistin Maria Rossbauer (links) bei der Langen Nacht der ZEIT. © Michelle Jekel

Die Rolle als Ressortleiterin

Generell beschäftigt Maria in ihrem Beruf als Ressortleiterin besonders eine Frage: Wie leitet man ein Ressort gut? Es geht um den schmalen Grat zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Effizienz. Dadurch geht es also immer mehr um klassische Führungsfragen, wie man zum Beispiel das Ressort zusammensetzt und wer neue Stellen besetzen soll, sodass ein gutes und leistungsstarkes Team entsteht. Dabei ist es ein bisschen Learning by Doing, da Führungspositionen im Journalismus auch von JournalistInnen besetzt werden, welche die Mitarbeiterführung anders als in anderen Branchen nicht klassisch erlernt haben.

Doch Maria hat sich gut in ihre Rolle eingefunden und mag besonders die Stärken ihrer Mitarbeitenden zu fördern, indem sie analysiert, was diesen liegt. In ihrem neuen Beruf gibt es aber auch neue Herausforderungen, die vor allem in der Personalverantwortung zu finden sind: Wenn MitarbeiterInnen das Ressort verlassen oder wenn es darum geht den Spagat zwischen „Arbeiten die Menschen zu viel oder zu wenig?“ zu machen. „Es gibt einfach Arbeit, die gemacht werden muss, und das muss man dann immer irgendwie moderieren und eine Lösung finden“, sagt Maria.

Der Bewerbungsprozess: Der lange Weg in den Journalismus

Doch wie bekommt man nun am besten einen Fuß in die Tür? Grundsätzlich würde Maria BiologInnen empfehlen, nach dem Bachelor- oder Master ein Volontariat zu machen oder eine Journalistenschule in München, Hamburg, Berlin oder Köln zu besuchen. Diese dauern meistens zwei Jahre und für die sehr begehrten Plätze in der Journalistenschule gibt es sogar Stipendien. Maria etwa hat nach dem Biologie-Diplom die Deutsche Journalistenschule in München besucht. Sie dauert neun Monate mit einem 6-monatigen Praktikum danach. Denn dort oder in einem Volontariat bekommt man einen guten Crashkurs im „Handwerk“ Journalismus. Wie recherchiert man richtig und wie schreibt man einen journalistischen Text oder verfasst einen journalistischen Beitrag? Wie interviewt man Menschen und so weiter. Es werden also neben dem Schreiben auch wichtige Skills wie Fernsehbeiträge drehen, Social Media Posts oder Podcasts erstellen vermittelt. Ein Doktortitel ist zwar nett, braucht es für einen Job im Journalismus aber übrigens nicht.

Anders als bei vielen Berufen erlebt Maria im Journalismus danach den Einstieg anders als im klassischen Verlauf von Stellenausschreibung, Bewerbungsgespräch und Anstellung. In den Journalismus „schreibt man sich quasi rein“, sagt Maria, was nichts anderes bedeutet, als dass man sich erst beweisen muss. Maria erklärt das Ganze so: „ich würde niemanden einstellen, von dem ich nicht schon vorher einen Text gelesen und einen Text redigiert habe.“ Da Journalismus kein geschützter Beruf ist, kann jeder einfach entscheiden, Journalist zu werden, wer also hinein will muss vor allem proaktiv und hartnäckig sein sowie mit wenig Geld am Anfang rechnen.

Der Einstieg

Wie kann man sich diesen Einstieg in den Journalismus genau vorstellen? Maria erklärt das so: Der Prozess beginnt mit einer einfachen Mail, die durch die Weiten des Internets flattert und dann irgendwann eine Redaktionsleitung wie Maria erreicht. Dabei sollte man schon in der ersten Mail wissen, was man tut, Themenvorschläge formulieren und sich auch über die Zeitung informiert haben: „Was ich nicht mag, ist, wenn mir Leute Themen vorschlagen für eine Rubrik, […] die wir gar nicht haben.“ Optimalerweise sollte eine Mail deshalb folgenden Inhalt haben:

  • Wer man ist
  • Was man schreiben möchte
  • Einen Themenpitch mit ein paar Zeilen
  • Wie man die Geschichte aufbauen will
  • Warum man das spannend und relevant findet

„Und dann hängt man idealerweise noch eine Arbeitsprobe dran, oder zwei. Damit man merkt die Idee ist gut, auch der Sound, und da möchte jemand schreiben, und ich habe das Gefühl, derjenige versteht auch, wie man Guten Journalismus macht.“ Danach merkt Maria dann schnell, ob jemand das Zeug hat oder nicht, wobei sie besonders zu Beginn auf diese drei Punkte achtet: „Schreibt jemand den Text, der ausgemacht ist, […] gibt er zum Zeitpunkt ab, der ausgemacht ist und in der Länge, die ausgemacht ist.“ 

Die Vorteile

Der Bewerbungsprozess für feste Stellen im Journalismus kann sich dabei auch über Jahre ziehen. Was sich jetzt erstmal sehr hart anhört, hat laut Maria aber auch den Vorteil, dass der Einstieg an sich sehr einfach ist, indem man auf Medienunternehmen zugeht und dann, wenn es gut läuft, relativ schnell als freier Mitarbeiter oder Mitarbeiterin Geld verdienen kann. Wenn der Redaktion deine Arbeit gefällt, bestellt sie häufiger Texte und nach einer Zeit, wenn man dann merkt, du bist zuverlässig, kann es sein, dass dir eine Stelle angeboten wird. Hartnäckigkeit und Dranbleiben zahlt sich also aus: „[…] Ich sehe es in dem Sinn sehr positiv. Man braucht nicht, wie in manchen anderen Branchen, einen super fetzigen Lebenslauf und ein gutes Vorstellungsgespräch. Sondern man kann ein erfolgreicher Journalist oder Journalistin werden, indem man einfach gut ist.“

Die Arbeitsprobe

Wie sollte so eine Arbeitsprobe im besten Falle aussehen? Es gibt kein allgemein gültiges Rezept für den perfekten Artikel, da sich die Artikelformen deutlich unterschieden – ob Kolumne, Reportage oder Glosse. Doch eine Sache, die alle Artikel gemein haben sollten, sagt Maria, ist eine klare Sprache. „Artikel, die aus vielen intellektuell klingenden Floskeln bestehen, aber inhaltlich unverständlich sind, sind einfach nicht gut“, sagt Maria. Also sollte man sich die Frage stellen, die sich Maria wahrscheinlich bis zum Umfallen gestellt hat: „Würde das ein Achtjähriger verstehen?“ Auch hat Maria die Erfahrung gemacht: je einfacher und blöder die Fragen sind, desto besser kommt man auch ins Gespräch, weil man mehr auf die Ebene des „Quatschens“ kommt.

Die Frage ist, warum sollten sich BiologInnen für den mit Arbeitsproben und anfänglich oft schlecht bezahlten Texten gepflasterten Weg in den Journalismus entscheiden? Und wie kann man das Biostudium für den Journalismus nutzen? Maria sieht darin einige Vorteile: Sie legt zum Beispiel einen besonderen Fokus auf Verständlichkeit, Struktur und Logik. „Und das ist, glaube ich, immer noch was sehr Naturwissenschaftliches. Das merke ich nach wie vor. Und davon profitiere ich immer noch“ sagt Maria. Einen schönen Ansatz findet sie bei NaturwissenschaftlerInnen auch, dass diese eher Probleme erkennen und dann nach Lösungen suchen. Laut Maria ist es im Journalismus also essenziell, Menschen aus vielen unterschiedlichen Bereichen zu haben: „Es ist ja oft auch ein Menschenbusiness, da sitzt ein Mensch und der findet ein Thema oder er sagt, das ist wichtig, da schauen wir jetzt hin.“

Schattenseiten der Arbeit

Marias Alltag ist also alles andere als langweilig und geprägt von neuen Eindrücken, doch es gibt auch Momente, die herausfordernd sind: Der Druck der Deadlines etwa, die Menge an Texten, die manchmal gleichzeitig redigiert und produziert werden müssen und das korrekte Rekapitulieren des Erlebten. Besonders das Schreiben ist für sie immer noch jedes Mal eine Herausforderung, obwohl sie nun ja schon lange als Journalistin tätig ist: „Du fragst dich jedes Mal wieder, war das jetzt wirklich so? Oder waren die T-Shirts doch orange und nicht rot?“

Da JournalistInnen auch immer mit einem Bein in der Öffentlichkeit stehen und nicht immer jedem gefällt, was er liest, sind JournalistInnen auch mit Shitstorms und negativen Reaktionen konfrontiert, die in letzter Zeit auch immer schärfer werden: „die Kommentare der Leute, dieses Hetzen im Internet, auch gegen Journalisten persönlich, damit muss man schon umgehen.“ Die Pressefreiheit sieht Maria nicht eingeschränkt, da sie noch nie erlebt hat, dass sie etwas nicht veröffentlichen durfte, und auch positive Resonanzen gibt es zu Genüge: „Wir kriegen jeden Tag viele Leserbriefe. Der Kontakt zu den Leuten ist, finde ich, größer geworden, und das ist auch sehr schön.“

Die Rolle als Chefin

Mittlerweile schreibt Maria weniger selbst und hat ihren Stift gegen die Personalverantwortung eingetauscht, was auch seine Nachteile mit sich bringt: Die Chefrolle ist eine neue Herausforderung für Maria. Das Gute? Ihr Kollege Florian, mit dem sie sich die Ressortleitung teilt. Die beiden haben sich ein gutes System überlegt, wie sie die Verantwortung teilen: Immer im monatlichen Wechsel hat einer die Federführung, und der andere ist sozusagen der Sherpa. „Wenn ich den Monat Chef bin, entscheide ich alles im Ressort und er setzt die Entscheidungen dann um, im nächsten Monat ist es dann wieder anders herum.“ Durch den Verantwortungswechsel kommt sie gut mit dem Druck klar, findet beide Phasen gut und hat mittlerweile das Gefühl, angekommen zu sein. Interesse die Karriereleiter höher zu klettern hat sie momentan nicht, da auch ihre Bezahlung gut ist und sie eher überlegt, ihre Arbeitszeiten blockweise noch etwas zu reduzieren.

Berufliche Zukunft im Journalismus

Ein paar abschließende Worte von Maria für euch gibt es zum Schluss natürlich auch: Generell würde sie BiologInnen und Naturwissenschaftlern wärmsten empfehlen in den Journalismus zu gehen, da diese von ihrem breit aufgestellten Studium, das sich von Chemie bis zur Genetik erstreckt, im Journalismus definitiv profitieren können. Denn es braucht mehr Naturwissenschaftler:innen im Journalismus! Damit verabschiede ich mich von Maria, wünsche ihr natürlich alles erdenklich Gute für ihre Zukunft und hoffe, dass euch dieser Artikel weitergeholfen hat, euren Weg in den Journalismus zu bestreiten.

Lust herauszufinden wo andere ehemalige Interviewpartner:innen heutzutage gelandet sind? Hier findet ihr das Interview mit Dr. Daria Chrobok, die uns ihre Arbeit, als Scientific Illustrator zeigt. Folgt uns auf Instagram oder LinkedIn, um euch das nicht entgehen zu lassen.

Damit verabschieden wir uns in eine kleine Winterpause, wünschen euch frohe Weihnachten und freuen uns darauf, euch im neuen Jahr in alter Frische wiederzusehen.